Im Rahmen seines OnBoardings besuchte Jakob Becker unterschiedliche Werke seines Förderers REMONDIS SmartRec. Was er dabei erlebte und was das mit Star Wars zu tun hat, erfahrt ihr im Bericht.
Am 15.01.2024 besuchte ich gemeinsam mit meinem Praxisbetreuer, Philipp Kempkes, das REMONDIS-Werk in Erftstadt nahe Köln. Mitte Dezember war ich bereits im Hauptsitz von REMONDIS in Lünen, was etwa 20km nördlich von Dortmund gelegen ist, sodass ich dort gut mit dem Fahrrad hinfahren konnte. Bei diesem Besuch in Lünen zeigte mir Philipp dann auch das hiesige, riesige Werk. Tatsächlich ist das Lippewerk, so heißt das Werk in Lünen, mit einer Fläche von 230 Hektar das größte Werk für industrielles Recycling in Europa. Der Zusatz „industriell“ bedeutet hierbei, dass vorwiegend Abfälle aus der Industrie recycelt werden. Dabei wird in verschiedene Kategorien unterschieden, wie bei Privatpersonen durch mehrere Mülltonnen. Für zwei der Mülltonnen gibt es sogar eine entsprechende Kategorie, den Bioabfall und die Kunststoffe, wobei die Kunststoffe für mich besonders interessant sind (dazu unten mehr). In einer virtuellen Tour könnt ihr das Lippewerk auch selbst erkunden und euch die restlichen zwölf Kategorien anschauen. Die Zahlen der verschiedenen Stationen geben unsere Route übrigens ganz gut wieder. Falls ihr das Werk, so wie wir, nicht nur digital ansehen möchtet, lassen sich auch Werksführungen buchen. Ich kann den Besuch eines Recycling-Werkes jedenfalls nur empfehlen. Das motiviert Mülltrennung und vor allem Müllreduktion sehr eindrücklich.
Die Star Wars Analogie
Neben der Werksbesichtigung gab es erste Daten über Leichtverpackungsmüll (LVP-Müll). Allerdings stammen diese Daten gar nicht aus dem Werk in Lünen, sondern aus dem in Erftstadt, dem größten LVP-Werk von REMONDIS. Daher auch der Besuch in Erftstadt, der mich mit den verschiedenen Sortierschritten vertraut machen sollte. Weil es meine erste Führung durch eine Müllsortierungsanlage war, freute ich mich schon sehr auf den Besuch und ich wurde nicht enttäuscht. Als erster Eindruck für alle Star Wars Fans hilft die Droidenfabrik auf Geonosis aus Episode II – Angriff der Klonkrieger, ein Gedanke der mir tatsächlich während der Begehung kam.
Bevor wir allerdings in die LVP-Anlage gingen, fuhren wir noch zur Restmüllverbrennungsanlage. Schon für den Ausstieg habe ich eine weitere Star Wars Analogie, denn es war wie die Ankunft auf einem neuen Planeten. Durch den Schneefall war der Boden ganz aufgeweicht und wie zu erwarten, lag überall Müll herum, was auch dem ersten Bild zu erkennen ist. Viel eindrücklicher war jedoch das, was das Bild nicht hergibt, ein Bouquet an Düften mit Noten von allem, was so in den Restmüll kommt und es deswegen so unvergleichlich macht. Das war jedoch erst die Kopfnote, die uns bereits aus der Lager- und Aufbereitungshalle entgegenwehte. Als wir dann in die Halle kamen, befiel meinen Magen fast ein „ganz mieses Gefühl“, da sich dort die Herznote bereits wunderbar entfaltet hatte. Aber immerhin wurden wir nicht in einer Schrottpresse eingeschlossen, weswegen wir anschließend noch vom Todesstern in die Droidenfabrik fliehen konnten, ich meine in die LVP-Anlage fliehen konnten.
Dort stank es zwar unwesentlich weniger tödlich, dafür war es aber sehr viel lauter und es gab auch Einiges zu sehen. Der Vergleich mit einem riesigen Wasserfall ist, zumindest für den Lärmpegel, äußerst treffend. Das ist insofern auch ganz passend, weil der LVP-Müll als Stoffstrom auf Bändern fließt, also quasi ein riesiger Müllfall ist. Für unseren Schutz brauchten wir daher für die Begehung auch eine Schutzjacke, eine Warnweste und Schutzschuhe, wie ebenfalls auf dem ersten Bild zu sehen.
Auf dem zweiten Bild könnt ihr mich dann auch in der Halle sehen, wobei nur etwa ein Fünftel der Halle abgebildet ist und auch nur die oberste Ebene. Man munkelt übrigens, dass sich auf der zehnten Ebene tausende von Kampfdroiden befinden. In dieser Halle wird der LVP-Müll komplett sortiert und in zwölf Bunker, also einfach Sammelbehälter, aufgeteilt, wobei es noch einen weiteren Bunker für den Rest gibt. Aus diesen Bunkern kommt der Müll dann in eine von zwei Pressen und wird dort zu Ballen geformt, wie auf dem ersten Bild zu sehen. Abschließend werden diese Ballen noch gewogen, wobei 500-800 kg erwartbar sind, also ungefähr das, was ich auf der Beinpresse stemme. Jährlich werden in Erftstadt an die 120.000 Tonnen LVP-Müll angeliefert, zu diesen Ballen verarbeitet und wieder abgeholt. Genug des Spaßes, Ballen konnte ich bereits in Lünen haufenweise sehen. Über die verschiedenen Sortierschritte, für die ich ja eigentlich da war, habe ich bislang jedoch noch gar nichts gesagt. Darum im Folgenden eine grobe Skizzierung der verschiedenen Abläufe und der in Erftstadt eingesetzten Trennverfahren.
Kaskadierendes Trennverfahren
Zu Beginn müssen die gelben Säcke aufgerissen werden, was mit sogenannten Zerkleinerern passiert. Danach kommt der LVP-Müll auf das erste von vielen Bändern. In diesem Band ist auch eine Waage eingebaut, sodass gemessen werden kann, wie viel Müll in die Anlage geflossen ist. Nun kann der Müll nach verschiedenen Eigenschaften gruppiert werden. Die erste Trennmethode ist ein Sieb, das den Müll nach seiner Größe sortiert. Üblicherweise werden dafür sogenannte Siebtrommeln eingesetzt, die man sich wie überdimensionale Waschmaschinentrommeln vorstellen kann, in denen der Müll wie in einem Karussell umhergedreht wird und sich dabei hoffentlich genauso freut wie auf einem echten Karussell. Die kleinen Teile fallen dann durch Löcher in der Trommel. Bei „klein“ wird hierbei in die fünf Klassen <60mm, 60-140mm, 140-200mm, 200-250mm und >250mm unterschieden. Anschließend werden dann für die fünf Klassen unterschiedliche Trennverfahren verwendet, um den Müll weiter zu sortieren. Das erschwert das Erklären ungemein, da die Anlage eben nicht linear aufgebaut ist, sondern sich während des Trennungsprozesses immer weiter verzweigt, man sagt auch „kaskadierend“ zu solchen Prozessen.
Nach Gewicht
Trotzdem möchte ich noch ein paar weitere Trennmethoden erklären, die zwar recht intuitiv sind, mich aber dennoch sehr beeindruckt haben. Eine der Trennmethoden ist der Windsichter. Dort wird von unten ein Windstrom erzeugt, sodass leichte Gegenstände nach oben in eine Röhre geblasen werden und so auf ein anderes Band gelenkt werden. Hier findet also eine Trennung nach Gewicht statt, auch wenn ich leider nicht sagen kann, wo die Gewichtsgrenze liegt. Allerdings spielt dafür sicherlich auch die Dichte des Gegenstandes eine Rolle und noch viel entscheidender ist, ob ein zu schwerer Gegenstand auf einem eigentlich leichten liegt.
Magnetisch
Ein weiteres Trennkriterium ist, ob das Material metallisch ist, da im LVP-Müll auch Konservendosen oder Aluminiumdeckel erlaubt sind. Die Trennung hier ist zweistufig. In der erste Stufe werden die magnetischen Materialien (Eisen, Cobalt und Nickel) herausgefiltert, was durch einen Permanentmagneten über dem Band erreicht wird. Dort läuft ein weiteres Band auf dem die magnetischen Materialien dann kopfüber laufen, bis das magnetische Feld nicht mehr stark genug wirkt und die Gegenstände runterfallen, dann aber auf ein anderes Band. Es gibt aber ja potenziell noch weitere metallische Materialien, bei denen der Ferromagnetismus nicht wirkt. Für diese wird ein Wechselstromfeld induziert, diesmal allerdings unterhalb des Bandes. Dadurch werden alle metallischen Gegenstände hochgehoben und fliegen dadurch ein Stück weiter als der Rest, was bedeutet, dass sie auf einem anderen Band landen.
Infrarot
Eine Technik, die nicht nach bestimmten Eigenschaften des Mülls trennt, sondern noch spezifischer spezielle Materialien herausfiltern kann, sind die Infrarot-Kameras. Davon gibt es 21 in der Anlage und jede kann um die 15 Materialien, wie PET (Polyethylenterephthalat) oder PP (Polypropylen), identifizieren. Erkennt die Kamera eines dieser Materialien, wird, ähnlich zum Windsichter, ein Luftstrom ausgestoßen, der den Gegenstand dann auf ein anderes Band befördert. Neben diesen automatisierten Verfahren gibt es kurz vor Schluss, also kurz bevor der Stoffstrom in den Bunker fließt, noch eine händische Sortierung, die vor allem darauf ausgerichtet ist kritische Stoffe, wie beispielsweise Silikonkartuschen, auszusortieren.
Erkenntnistransfer
Das schließt dann auch meine Beschreibung der Mülltrennungsverfahren ab. Mit diesem neu gewonnen Wissen lassen sich meine ersten Vorhaben nun auch noch einmal besser erläutern. Eine Idee ist, die Daten der Waage ganz zu Beginn des Trennungsprozesses zu betrachten und dort zu schauen, wie das Gewicht (und damit schließlich auch die Menge) des auf dem Band befindlichen Materials mit der Standzeit der Anlage zusammenhängt, in Fachkreisen sagt man „korreliert“. Der Gedanke dahinter ist, dass wenn zu viel Material in die Anlage hineingegeben wird, diese häufiger verstopft ist. Für die Reinigung muss die Anlage abgeschaltet werden und in der Zeit kann logischerweise nicht weiter sortiert werden. Im Endeffekt wird somit weniger Material verarbeitet, als wenn die Anlage weniger Müll gefahren hätte, dafür aber ohne Verstopfung. Hier soll ich die optimale Materialmenge, bestimmt durch das Gewicht, herausfinden, sodass die Anlage maximal viel sortieren kann.
Ein zweiter Plan ist am anderen Ende des Trennprozesses verortet, bei den Ballen. Dort geht es darum, sich die Zusammensetzung der Ballen anzusehen und damit letztlich die Qualität der Mülltrennung in Abhängigkeit vom Eingangsmaterial zu modellieren. Diese Modellierung ist eines der Hauptziele meines Vorhabens, der Promotion. Für den Einstieg geht es aber schlicht und einfach darum, Veränderungen in der Zusammensetzung der Materialien in den Ballen zu visualisieren. Hier ist der Hintergrund, dass, wie auf meinem Profil beschrieben, sich die Materialien über die Zeit stark verändern können. Es gibt saisonale Effekte, wie den Eisgenuss im Sommer, aber auch generelle Trends. Anlagen müssen, wenn sie einmal gebaut wurden, mit diesen Unsicherheiten umgehen und immer in gleichbleibender Qualität produzieren können. Deswegen ist es selbstverständlich von Vorteil, die Entwicklungen in der Vergangenheit zu kennen, wenn man Entscheidungen über die Zukunft fällen muss. Das betrifft nicht nur die hochspannenden Müllanlagen, sondern durchdringt jeglichen Teil der modernen Gesellschaft und gibt auch insbesondere Fabiennes Thema seinen Daseinsgrund. Also einfach mal auschecken!
Fazit
Alles in allem ein schöner Besuch, bei dem ich froh war, am Ende nicht noch den Fühl- oder Geschmackssinn gebraucht zu haben. Allerdings herrschte die Basisnote so stark nach, dass alles was ich an dem Tag noch aß nach Restmüllverbrennungsanlage schmeckte, selbst meine neueste Kreation, der Sojaghurt. In diesem Sinne, immer schön den Aluminium-Deckel vom Joghurtbecher trennen, das macht es dem induzierten Wechselstromfeld sehr viel leichter und haut rein.
Jakob Becker
ist Promotionsstipendiat in Kooperation mit der REMONDIS SmartRec. Im zweiten Monat seines Stipendiums besuchte er zwei Recycling-Werke, um Prozesse zu verstehen und erste Daten aufzunehmen. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz möchte er die Recycling-Prozesse optimieren. Jakob im Profil