Ein digitaler Zwilling ist eine Nachbildung eines realen Objektes oder Systems in der digitalen Welt. Als reales Gegenstück können Maschinen oder Produkte dienen, aber auch ganze Fabriken oder Organisationen. Der Digitale Zwilling wird aus Daten und Algorithmen aufgebaut und durch Sensoren (IoT) mit der realen Welt verbunden. Ziel ist es, die Verhaltensweisen des realen Gegenstücks möglichst authentisch nachzubauen.
Mit einem Digitalen Zwilling können Produkte, Prozesse und Dienstleistungen simuliert und optimiert werden. Dabei kann das Gegenstück in der realen Welt bereits existieren oder erst in der Planung sein. Denn der Digitale Zwilling kann bereits bei der Designphase neuer Produkte und ihrer spezifischen Kundenanforderungen oder bei der Planung ganzer Fabriken helfen. So können Fehler oder ineffiziente Prozesse bereits im Vorfeld erkannt werden, bevor der Prototyp gebaut ist oder die Halle steht. Durch Simulationen können Test gefahren oder Wenn-Dann-Szenarios durchlaufen werden. Änderungen an bestehenden Systemen und ihre Auswirkungen werden digital geprüft, ohne ein Eingreifen oder Störungen im laufenden Prozess.
Für einen Digitalen Zwilling sind große Mengen von Daten erforderlich (Big Data), je nach Anwendungsfall auch Echtzeitdaten. Wenn keine ausreichende Menge an Daten zur Verfügung steht, können sogenannten Synthetische Daten helfen (Data Farming). Die Daten werden durch Algorithmen verknüpft und ihre Eigenschaften sowie Verhaltensweisen beschrieben. Werden Machine Learning oder Künstliche Intelligenz eingesetzt, kann das digitale Abbild auch lernen und eigenständig Entscheidungen über notwendige Maßnahmen treffen.
In der Praxis ist ein Digitaler Zwilling häufig modular aufgebaut und besteht im Prinzip aus den digitalen Abbildern mehrerer kleiner Einheiten, deren Zusammenspiel simuliert wird. So wäre beispielsweise ein Digitaler Zwilling eines Produktionssystems zusammengebaut aus den einzelnen CAD- oder 3D-Modellen der Maschinen, Produktions- und Kennzahlen, Produktions- und Lieferzeiten, Werkzeugdaten und Personaleinsatzplänen. Jede Einheit für sich kann einen Digitalen Zwilling darstellen und im Zusammenspiel wird das gesamte System in die digitale Welt übertragen.
Der Digitale Zwilling hilft aber nicht nur bei der Planungsphase, sondern auch über den kompletten Lebenszyklus des realen Gegenstücks. Beim kontinuierlichen Einsatz des Digitalen Zwillings und bei Überführung von Echtzeitdaten in die digitale Welt, profitieren Unternehmen von geringeren Kosten, planbaren Wartungsaufwänden, frühzeitiger Problemerkennung, dem Verhindern von Ausfallzeiten, einer breiten Auswahl von Steuerungsmöglichkeiten und einer erhöhten Flexibilität. Es werden sogar Prognosen über das Leistungs- und Betriebsverhalten von Produkten und Maschinen möglich.
Ein Digitaler Zwilling bietet große Innovationspotenziale. Diese entfalten sich aber erst gänzlich, wenn die Partner entlang der Wertschöpfungskette bzw. innerhalb einer Supply Chain ihre Digitalen Zwillinge miteinander vernetzen und Daten tauschen. Hier liegt die wohl größte Herausforderung beim Einsatz der digitalen Abbilder. In der Praxis sind viele Unternehmen nicht bereit sensible innovations- oder prozessbezogene Daten zu teilen. Es braucht ein gemeinsames Framework und eine sichere Basis, um in wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht alle Potenziale gemeinsam auszuschöpfen.