Ich bin ein Kommunikationsmensch. In meiner täglichen Arbeit versuche ich schwerverständliche Themen aus Wissenschaft und Forschung zielgruppengerecht aufzubereiten. Und das ist, wie viele andere Jobs auf der Welt, wichtig und richtig. Aber in der aktuellen Zeit sind nicht nur Kommunikationsmenschen gefragt, es braucht Wissenschafler*innen und Forscher*innen, die ihre Expertise in die Öffentlichkeit tragen, eine Diskussion wagen und das auch auf politischer und sozialer Ebene. Zum Meistern aktueller Krisen, weltwirtschaftlicher Ereignisse oder gesellschaftlicher Ungerechtigkeit, benötigen wir eine Versachlichung von Debatten und fundierte Einblicke in Details und Methoden. Wissenschaft muss lernen, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Auch wenn heute keiner mehr das Wort „Corona“ hören mag, so hat die Pandemie einen Sachverhalt sehr deutlich gezeigt: Es ist wichtig Zusammenhänge verständlich aufzuzeigen. Ohne ein Grundverständnis von R-Werten, Wirkzusammenhängen und Co. wäre es uns doch schwergefallen, zu verstehen, was da passiert. Die Wissenschaften müssen also lernen, ihre Themen und Erkenntnisse mit der nicht-wissenschaftlichen Zielgruppe zu teilen.

Dabei gibt es zwei zentrale Bremsen, die Wissenschaftskommunikation durch Expert*innen zurückhält. Einerseits gibt es wenige Anreize für Wissenschaftler*innen ihre Themen für breite Zielgruppen zu kommunizieren. In der Wissenschaft zählen Publikationen in Form von Papern in hochgerankten Journals, professionelle Lehre auf Universitätsniveau und die Höhe der eingeworbenen Drittmittel. Wer seine Themen also „populärwissenschaftlich“ kommuniziert, tut dies – in der Regel – aus reiner Selbstmotivation, zusätzlich zu seiner*ihrer „normalen“ Arbeit.

Auf der anderen Seite hat sich die Kommunikation, insbesondere über neue und soziale Medien, sehr emotional und kontrovers entwickelt. Nicht selten bilden sich unterschiedliche Gruppierung mit gegensätzlichen Meinungen und so entstehen teils unsachliche Diskussionen unter Posts, Tweets und medialen Beiträgen. Bei Themen mit starker medialer Aufmerksamkeit stehen Kommunikator*innen zwischen Hype und Hass und können auch zu Opfern von Anfeindungen (Hatespeech) und von Eingriffen in die Privatsphäre werden. Ein bekanntes Beispiel ist Christian Drosten. Die Statements des Virologen führten teilweise zu extremen Reaktionen der Corona-Leugner*innen.

Auf den ersten Blick nachvollziehbar, dass unsere Wissenschaftler*innen nicht hinaus in die Welt gehen, sondern ihre Ergebnisse ausschließlich mit der fachlichen Community teilen. ABER: Ist Wissenschaft nicht die Lösung für die oben beschriebene Ausgangssituation? Braucht unsere Kommunikation nicht ein methodisch-versiertes Fachverständnis, eine faktenbasierte Darstellung, eben eine Versachlichung der Diskussion? Ich bin davon überzeugt! Damit bin ich nicht allein, denn die Mehrheit der Menschen ist bereit in die Tiefe der Themen einzutauchen, ist interessiert an Zusammenhängen und dankbar für Fakten. Das Gros der Bevölkerung stand hinter Christian Drosten und die Band ZSK widmete ihm sogar den Song „Ich habe Besseres zu tun“, dessen Titel ein Zitat des Virologen bezugnehmend auf Hatespeech und Co. ist. Wie so oft bleibt das negative Feedback hängen und Positives wird als selbstverständlich hingenommen. Es gilt aber ganz klar: Wer am lautesten schreit, hat nicht Recht.

Nicht ohne Grund gehört der Channel von Dr. Mai Thi Nguyen-Kim (Maithink X) zu einem der beliebtesten Wissenschaftskanälen in Deutschland und ebenfalls nicht ohne Grund, ist die Vortragsreihe „Zwischen Brötchen und Borussia“ der Physik an der TU Dortmund grundsätzlich stark besucht. Die Naturwissenschaftler*innen machen es uns vor, nun sollten auch alle anderen Wissenschaften nachziehen und die Kommunikation versachlichen. Deutschland braucht mehr Wissenschaftler*innen in der Außenkommunikation.