Wir Menschen mögen das Zweifeln aus Prinzip nicht. Zweifel sind quälend, bohrend, nagend, quasi wie eine Krankheit oder eine Plage. Wir streben nach Klarheit und Gewissheit. Niemand ist gern hin- und hergerissen. Denke groß, sei aktiv, entscheide schnell. Wer zweifelt, hat schon verloren und ist noch dazu uninteressant und unselbstbewusst. Wer zögert ist schwach und wer schwach ist, gilt schnell als inkompetent. Kein Wunder also, dass Zweifel einen so schlechten Ruf haben.

Ambivalenz ertragen war gestern. In der Konsequenz drängen wir auf einfache Lösungen, tendieren zum Schwarz-Weiss-Denken, handeln aufgrund von Halbwissen sowie Vorurteilen und entscheiden vorschnell. Denn Zweifeln braucht Zeit. Zeit, die wir in unserer disruptiven Welt nicht haben.

Warum also zweifeln wir?

Gehen wir sachlich an das Thema und Fragen ein Lexikon: Zweifel ist ein Zustand der Unentschiedenheit zwischen mehreren möglichen Annahmen, da entgegengesetzte oder unzureichende Gründe zu keinem sicheren Urteil oder einer Entscheidung führen können. (Pierer’s Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 760 f.)

Wir haben also Zweifel, so könnte man sagen, weil wir nicht ausreichend informiert sind oder weil die Ausgangssituation einfach noch nicht eindeutig ist. Zugegeben, morgens vor dem Kleiderschrank zu stehen und in Zweifeln zu baden, weil wir uns nicht für den roten, grünen oder blauen Pulli entscheiden können, sind keine Zweifel, sondern ein Luxusproblem. Aber fehlen ausreichende Informationen für eine fundierte Entscheidung, dann sind Zweifel begründet. Sie sind wichtig.

Wissenschaft macht das Zweifeln sogar zur Methode, denn Wissen ist nicht absolut. Der Mensch kann nur wissen, was ihm zum jetzigen Zeitpunkt bekannt ist. Neue Technologien, Entwicklungen oder Erkenntnisse können unser Wissen ändern. Ohne Zweifel gäbe es keinen Fortschritt und wir würden heute noch glauben, die Erde sei eine Scheibe. Zweifel führen dazu, dass wir innehalten, reflektieren und hinterfragen. Sie verhindern, dass wir blind in Sackgassen rennen. Zweifel sind also grundsätzlich nichts Schlechtes, wir müssen nur richtig mit ihnen umgehen.

Wenn dich Zweifel plagen, finde dein Warum und verbessere deine Informationslage, denke sachlich lösungsorientiert, gewichte Ansätze und wenn das alles nicht hilft, ist es vielleicht dein Bauchgefühl, das die Zweifel auslöst und dann solltest du darauf hören, denn häufig ist das nichts anderes als deine Intuition, also der richtige Riecher. Zweifle offen und teile deine Gedanken mit anderen. Weitere Perspektiven können dir helfen eine Entscheidung zu treffen.

Es gibt unterschiedliche Formen von Zweifel. In extremer und unreflektierter Ausprägung sind sie selten gut – dies gilt aber für jeden Zustand und jede Emotion. Begründete Zweifel haben ihre Berechtigung und sollten in unserer Gesellschaft wieder salonfähiger werden. Wer zweifelt, nimmt nicht blind Glaubenssätze hin und ist offen für neue Erkenntnisse und Erfahrungen. Fakt ist, wer zweifelt, trifft klügere Entscheidungen. Fakt ist auch, wir alle haben Zweifel.

Also liebe Promovierende, lasst Zweifel zu. Seht sie als wissenschaftliche Methode, das Beste aus eurer Forschung zu machen. Zweifeln kann ein konstruktiver Zustand sein, solange ihr nicht zu stark an euch, eurem Aussehen oder eueren Fähigkeiten zweifelt. Selbstzweifel sind tatsächlich nur in Prisen und für eine gesunde Reflektion ratsam.