In wissenschaftlichen Arbeiten werden Forschungsfragen bearbeitet und beantwortet. Was vermeintlich einfach klingt, ist der Dreh- und Angelpunkt der Dissertation. Denn die forschungsleitende Frage definiert das Ziel der Arbeit und alle inhaltlichen Aspekte der letztendlichen Schrift werden danach bewertet, inwiefern sie auf die Beantwortung dieser zentralen Frage einzahlen.

WAS MACHT EINE GUTE FORSCHUNGSLEITENDE FRAGE AUS?

Komplexität

Die Forschungsfrage muss so komplex sein, dass sie Fundament einer ganzen Arbeit sein kann. Kannst du also (je nach Fachbereich) 80-250 Seiten Text mit der Beantwortung der Frage füllen, ist das schon mal ein guter Anhaltspunkt.

Relevanz

Komplexität allein reicht nicht aus. Die Forschungsfrage muss auch von zentraler Relevanz für deinen Fachbereich sein. Demnach bezieht sie sich auf eine Forschungslücke und wurde zuvor von noch keiner anderen Person beantwortet.

Präzision

Die Frage muss präzise formuliert sein. Sie besteht aus einem Satz, nicht mehr und nicht weniger. Dabei werden nicht mehrere Fragen in einer zusammengefasst.

Beschränkung

Die Forschungsfrage innerhalb eines Promotionsvorhabens ist grundsätzlich begrenzt auf ein ganz spezifisches Thema. Zusätzlich muss die Beantwortung der Frage im vorgegebenen Umfang und in einem angemessenen zeitlichen Rahmen möglich sein. 

Erforschbarkeit

Auch wenn heute noch nicht das Ergebnis der Dissertation feststeht, so muss die Forschungsfrage grundsätzlich beantwortbar sein. Methodisches Vorgehen und wissenschaftlich fundierte Ansätze müssen ein forschungsrelevantes Ergebnis in Aussicht stellen.

Offenheit

Eine Forschungsfrage kann niemals mit einem Ja oder Nein beantwortet werden. Forschungsfragen sind grundsätzlich offen formuliert.

Verständlichkeit

Neben der Präzision solltest du auch immer auf eine verständliche und eindeutige Formulierung achten. Nur wenn du selbst, die betreuenden Personen und die späteren Leser*innen die Frage verstanden und vor Augen haben, verstehen Sie den Lösungsweg und die Bedeutung der Ergebnisse. Außerdem kommt so keine falsche Erwartungshaltung auf, weil die Frage unter Umständen anders verstanden wurde.

Jetzt kennst du die zentralen Kriterien der forschungsleitenden Frage und weißt um ihre Bedeutung, aber eine griffige Formulierung will dir trotzdem nicht einfallen. Das ist vollkommen ok. Denn richtig konkret kannst du erst werden, wenn du die Literaturrecherche hinter dich gebracht hast, die Forschungslücke identifiziert ist, wenn das methodische Vorgehen abgeklärt ist und du dir der Zielsetzung bewusst bist. Um ein für dich passendes Vorgehen oder eine gute Formulierung zu finden, schau dir Promotionsschriften aus deinem Fachbereich an. 

In den Ingenieurwissenschaften (und auch anderen Disziplinen) wird die forschungsleitende Frage als übergeordnete Forschungsfrage der Dissertation gesehen, die häufig durch zwei bis fünf Forschungsfragen spezifiziert wird. Für jede Forschungsfrage gelten dann ebenfalls die oben genannten Kriterien. Sie sollten möglichst präzise, relevant, beantwortbar, offen, spezifisch und verständlich sein.