Durch einen einfachen Ansatzpunkt zu besser Kommunikation im Team.

Die Argumentation ist ein klassisches Kommunikationsmittel. Wir alle argumentieren vor Führungskräften, Prüfer*innen, Kund*innen, Familienmitgliedern oder Freund*innen. Hitzige Diskussionen im Bundestag stecken im besten Fall ebenfalls voller Argumente. Oder? Wir müssen klar unterscheiden zwischen Argument und Überzeugung, zwischen Rhetorik und Fakt, zwischen Idee und Lösung. Wer jetzt verwirrt ist – keine Angst, wir klären auf:

In der Wissenschaft basieren Ergebnisse auf neutralen und unabhängigen Untersuchungen. Demnach sprechen die Fakten für oder gegen eine These. Darüber hinaus leiten die Regeln der guten wissenschaftlichen Arbeit zu einer kritischen Reflektion von Methoden und Vorgehen und damit zu einer Diskussion an. Die Argumentation ist ein Beweisgrund. Wenn wissenschaftlich sauber gearbeitet wurde und die Ergebnisse reproduzierbar sind, wird die Community überzeugt sein.

Anders sieht es in der Kommunikation aus – hier argumentieren wir, um Gründe für unsere persönliche These vorzubringen oder unsere Meinung zu untermauern. Wir wollen überzeugen und dafür versuchen wir unsere Argumente logisch aufeinander aufzubauen, wir orientieren uns an dem Gesprächspartner/der Gesprächspartnerin und passen Inhalte immer wieder an oder greifen Einwänden vorweg, um andere für unserer Sichtweise zu gewinnen. Im Gegensatz zum wissenschaftlichen „Argumentieren“ kann diese Form mitunter strategisch oder sogar manipulativ sein und das kann sehr negative Auswirkungen haben.

Nicht argumentieren – überzeugen!

Wer kennt das nicht? Der Kollege ist besonders schlagfertig, die Kollegin stellt ganz eloquent und zum passenden Zeitpunkt Suggestivfragen und irgendwie weiß keine*r so recht, wie man nun sinnvoll gegenargumentieren oder antworten soll. Die Entscheidung ist also gefallen und der*die Kolleg*in hat wieder einmal gewonnen. Gewonnen? Ja, das ist der negative Beigeschmack, denn die Argumentation wurde gewonnen, die Kolleg*innen sind aber nicht überzeugt. Fazit: Die Kolleg*innen ziehen in der Umsetzung nicht mit und die Argumentierenden laden in der Schublade für „unliebsame Personen“. Aber wie überzeugt man denn nun, wenn nicht durch eine Argumentation? Die Antwort ist simpel: Durch eine Erklärung. Fragt euch selbst, was genau ist das Problem und wie funktioniert Schritt für Schritt mein Lösungsansatz?

Das gefährliche Halbwissen

Leonid Rozenblit und Frank Keil von der Yale Universität formulierten es 2002 so: „Wir glauben vieles zu wissen, aber wenn wir dieses Wissen explizieren sollen, sind wir dazu nur sehr mangelhaft in der Lage. Wir wiegen uns in einer ‚Illusion der erklärenden Tiefe‘“.1 Wir alle glauben, komplexe Phänomene mit weitaus größerer Präzision, Kohärenz und Tiefe zu verstehen, als es tatsächlich der Fall ist. Dies fanden die Forscher in ihrer Studie heraus, in der unter anderem die Funktionsweise der Toiletten-Spülung oder das Prinzip von fliegenden Hubschaubern erklärt werden sollten. Könnt ihr das spontan? Wahrscheinlich kommt ihr jetzt genauso ins Grübeln, wie ich.

Darüber hinaus basiert unser Denken auf individuellen Werten, kulturellen Aspekten, unserer Erziehung, dem Fachbereich, aus dem wir kommen und vielem mehr. Auf Basis des vermeintlichen Wissens und Besserwissens sitzen wir unserem eigenen Selbstbetrug auf und sind davon überzeugt, die beste Idee eingebracht zu haben. Wir begründen also nur noch unsere Lösung, aber können wir sie auch anderen erklären?

Überzeugung und Offenheit für bessere Ergebnisse

Wenn wir erklären, statt argumentieren, passiert folgendes:  

  1. Ich hinterfrage beim Erklären meine eigene Lösung, identifizieren Lücken und bin offen für bessere Ansätze.
  2. Die Zuhörenden verstehen meinen Lösungsansatz und haben das Gefühl gemeinsam und auf einer guten Basis eine Entscheidung getroffen zu haben, so werden sie zu überzeugten Mitgestaltenden.

In einer agilen und durch disruptive Veränderungen geprägten Arbeitswelt ist das Überzeugen besser für die Team- und Organisationskultur, denn nur motivierte Teammitglieder schaffen es gemeinsam den kontinuierlichen Innovationsprozess zu gestalten. Eine einfache Erklärung sorgt für viele Gewinner*innen, die gemeinsam an einem Strang ziehen und ein positives Mindset leben.

In diesem Fall können wir uns in der Kommunikation etwas aus der klassischen Wissenschaft abschauen.   Ziel sollte es sein, eine offene Diskussion anzuregen und nicht nur Argumente vorzubringen, sondern Beweisgründe zu liefern. So entsteht eine ansatzweise manipulationsfreie und offene Kommunikation auf Augenhöhe.

Tipp

Wenn im nächsten Teammeeting ein*e Kolleg*in Argumente vorbringt, dankt für die Begründung und fragt nach einer Erklärung. Wenn dann ähnlich wie bei der Toiletten-Spülung das Grübel beginnt, habt ihr eine gute Ausgangssituation für einen konstruktiven Austausch geschaffen.


Britta Scherer

Sie ist verantwortlich für die Koordination der Graduate School of Logistics und übernimmt gleichzeitig die Funktion der Kommunikations- und Communitymanagerin. Im GSofLog-Blog gibt sie immer wieder Einblicke in übergreifende Themen und Denkanstöße zur Sicht über den Tellerrand für Promovierende und Praktiker*innen.


Literatur

1. Leonid Rozenblit and Frank Keil: The misunderstood limits of folk science: an illusion of explanatory depth, Cogn Sci. 2002 Sep 1; 26(5): 521–562, doi: 10.1207/s15516709cog2605_1.