Promotionsthemen sind meist nicht mehr nur eingegrenzt auf eine Disziplin, erst recht nicht, wenn die Promotion anwendungsorientiert ist. So ist es kein Wunder, dass die kumulative Dissertation kein rein naturwissenschaftliches Phänomen mehr ist. Die meisten Universitäten und Fakultäten lassen bereits seit Jahren kumulative Dissertationen zu. Für die meisten ist es so selbstverständlich geworden, dass in den Promotionsordnungen nicht einmal mehr explizit darauf hingewiesen wird. Wir haben für dich zusammengefasst: Was heißt kumulativ promovieren? Wie funktioniert es? Was sind Vor- und Nachteile?
Ob Monografie oder kumulative Dissertation – in beiden Fällen wird während des Promotionsprozesses publiziert, denn das sind die Regeln des guten wissenschaftlichen Arbeitens. Die Monografie ist insbesondere in den Ingenieurwissenschaften weit verbreitet. Während der Dissertationsphase wird ein meist mehrere hundert Seiten umfassendes Schriftstück angefertigt. Dieser Weg ist in Deutschland als der klassische Weg der Promotion bekannt. Dem gegenüber steht die kumulative Promotion. Diese ist eine Sammeldissertation und besteht aus mehreren peer-reviewten Veröffentlichungen, die durch einen gemeinsamen roten Faden zusammengeführt werden. Statt dem klassischen Hauptteil in der Monografie, werden also die veröffentlichten Paper hinzugefügt. Die regulären Bestandteile einer Dissertation, wie Titel, Inhaltsverzeichnis, Einleitung, Diskussion, Zusammenfassung, Literatur- und Abbildungsverzeichnis sowie Danksagung, bleiben aber auch beim kumulativen Vorgehen enthalten und bilden den Rahmen.
Ob du den einen oder den anderen Weg einschlägst, klärst du am besten frühzeitig, also gleich zu Beginn der Promotion. Ein Blick auf dein Thema und die möglichen Herangehensweisen kann deine Entscheidung unterstützen, denn nicht jedes Thema eignet sich für eine kumulative Promotion. Können bei der Dissertation Themenbereiche identifiziert werden, die auch für sich abgeschlossen in ein Paper passen? Oder lässt sich das Vorgehen aktuell nicht planen, da der Lösungsweg oder das Ergebnis noch nicht beurteilt werden können?
Je nach Fakultät werden unterschiedliche Anforderungen an eine kumulative Promotion gestellt. Bevor du also diesen Weg einschlägst, informiere dich, bei der betreuenden Person oder aber beim Prüfungsamt über die genauen Voraussetzungen für eine erfolgreiche kumulative Promotion und stelle bewusst zentrale Fragen:
Wie viele Veröffentlichungen sind notwendig?
In der Regel werden mindestens zwei, maximal jedoch fünf, qualifizierte Veröffentlichungen für eine kumulative Dissertation notwendig. Die goldene Mitte, als drei, sind häufig der Standard.
Wo sollte ich veröffentlichen?
Paper ist nicht gleich Paper. Für die kumulative Promotion sind Review-Artikel, also idealerweise Journalbeiträge, notwendig. Aber auch hier gilt, Journal ist nicht gleich Journal: Prüfe genau welche Journals im relevanten Fachbereich geeignet sind und prüfe ihr Ranking (Journal Impact Factor). Je besser das ausfällt, desto strenger das Begutachtungsverfahren und umso höher wird die Qualität deines Beitrages bewertet.
In welcher Sprache schreibe ich Dissertation und Paper?
Die meisten Prüfungsordnungen erlauben die Einreichung der Dissertation in englischer Sprache und darauf wird es in den meisten Fällen bei einer kumulativen Promotion auch hinauslaufen. Denn die Veröffentlichungen und die Dissertation sollten in der gleichen Sprache verfasst sein. Da die meisten wissenschaftlichen Journals international sind, werden also auch die Publikationen in Englisch eingereicht.
Darf ich die Paper gemeinsam mit anderen schreiben?
Grundsätzlich ja, aber… Das Prüfungsamt kann dir Auskunft geben, bei wie vielen Veröffentlichungen eine alleinige Autorenschaft notwendig ist. Gleiches gilt auch für die Frage, bei wie vielen Veröffentlichungen es notwendig ist Erstautor*in zu sein. Bei kumulativen Dissertationen werden die Veröffentlichungen zwar übernommen, allerdings wird auch pro Veröffentlichung kenntlich gemacht, wie groß der Eigenanteil ist. Hier muss dann deutlich hervorgehen, dass der Eigenanteil ausreichend für einen Doktortitel ist. Deshalb empfehlen wir nur Paper in die Dissertation zu übernehmen, bei denen du Erstautor*in bist.
Einige Fakultäten schreiben vor, dass Personen, mit denen du im Rahmen deiner Dissertation publiziert hast, nicht Mitglied der Prüfungskommission sein dürfen. Dies solltest du dringend prüfen, wenn du planst, deine Doktormutter oder deinen Doktorvater als Co-Autorin oder Co-Autor aufzuführen.
Mit welchem Zeithorizont muss ich rechnen?
Der Review- und Veröffentlichungsprozess bei Journalbeiträgen kann schon mal länger dauern – nämlich bis zu einem Jahr. Manchmal geht es schneller, manchmal dauert es leider auch noch länger. Unter Umständen wird dein Beitrag zwar angenommen, aber unter Auflagen und Korrekturvorschlägen, die müssen dann eingearbeitet und der gesamte Beitrag neu eingereicht werden. Bei mehreren Feedbackschleifen zieht sich der Prozess entsprechend hin. Darüber hinaus werden Journals nicht beliebig oft veröffentlicht.
Wir empfehlen dir gleich zu Beginn einen Publikationsplan zu erstellen. Hier hältst du mögliche Themen, passende Journals und Einreichungsfristen fest und planst idealerweise mit entsprechenden Puffern. Thematische Anpassungen und Verzögerungen werden trotzdem eintreten, denn nichts ist ideal, aber so behältst du zumindest den Überblick.
Müssen alle Paper publiziert sein?
Der mitunter langwierige Publikationsprozess ist auch den Universitäten bekannt, deshalb akzeptieren einige Fakultäten unveröffentlichte Beiträge – sogenannte „Pre-Prints“. Auf ihrer Basis kann der Prüfungsausschuss beurteilen, ob deine Veröffentlichung die fachlichen und wissenschaftlichen Voraussetzungen erfüllt. Wie viele publizierte Beiträge notwendig sind, um für die Prüfung zugelassen zu werden, erfährst du ebenfalls beim Prüfungsamt.
Wie viel Text muss ich dann noch ergänzen?
Mit der letztendlichen Dissertation musst du dann noch ein Dach über deine Veröffentlichungen spannen und die einzelnen Paper miteinander verbinden. Die Einleitung beschreibt deine Motivation, die Ausgangssituation und die Forschungslücke mit ihren einzelnen Forschungsfragen. In der Diskussion reflektierst du das Vorgehen und die Ergebnisse, fasst alles im Anschluss zusammen und gibst einen Ausblick. In der Regel entstehen so weitere ca. 30 Seiten Text. Mache Fakultäten machen hier Vorgaben in Form von Mindest- oder Maximalseitenanzahlen oder in Form von vorgegebenen Zeichenanzahlen.
Eine mögliche Struktur
Die Publikationen können in die Dissertationsschrift integriert, aber auch im Anhang aufgeführt werden. Ein Beispiel für eine mögliche Struktur sieht wie folgt aus:
- Titel
- Inhaltsverzeichnis
- Abstrakt
- Einleitung/Motivation
- Forschungsfragen & Methodik
- Integration der drei Journalbeiträge und Angabe des Eigenanteils
- Diskussion und Zusammenfassung
- Verzeichnisse und Anhang
- Danksagung
Vor- und Nachteile
Genau wie die Monografie, hat die kumulative Promotion Vor- und Nachteile. Du erhältst während deines gesamten Promotionsprozesses qualifiziertes Feedback von unabhängigen, wissenschaftlichen Gutachterinnen und Gutachtern aus dem jeweiligen Fachgebiet. Werden deine Paper also publiziert, ist eine wissenschaftliche Relevanz schon mal bestätigt. Durch die richtige Wahl des Journals kannst du sogar selbst die Qualität und den Impact bestätigen lassen. Darüber hinaus werden deine Ergebnisse in der wissenschaftlichen Community sichtbarer.
Auf der anderen Seite können die Publikationsprozesse mitunter auch sehr herausfordernd sein. Lange Wartezeiten, Änderungen, die nicht zu deinem eigentlichen roten Faden passen oder mehrere Feedbackprozesse kosten nicht nur Zeit, sondern auch Nerven. Letztendlich kann es auch passieren, dass ein Paper abgelehnt wird, dann musst du es bei einem anderen Journal versuchen oder einen neuen Anfang wagen. Ein Stück weit gibst du die Kontrolle ab, denn weder den Begutachtungs- noch den Veröffentlichungsprozess kannst du steuern. So wird es auch schwieriger deinen persönlichen Zeitplan für die Promotion einzuhalten.
Autorin: Britta Scherer